Die Adresse des Burkardushauses „Am Bruderhof 1“ weist auf die Geschichte des Platzes hin, an dem das Haus steht.
Seit dem 8. Jahrhundert wohnten hier die „Brüder des heiligen Kilian“ – eine Glaubens- und Lebensgemeinschaft von Klerikern am Dom. Sie benannten sich nach einem irischen Wanderbischof, der 689 mit seinen Gefährten Kolonat und Totnan in Würzburg den Märtyrertod erlitt. [...]
Um die Jahrtausendwende begannen diese Kanoniker (Domherren), einige Höfe im Bereich um die Kathedrale zu bauen und zu bewohnen. Der Bruderhof diente aber weiter dem Domkapitel; insbesondere diente er der Ausbildung der Kleriker am Dom: Die Domschule vermittelte ihnen umfassende Kenntnisse im profanen und theologischen Wissen der damaligen Zeit.
Im Laufe der Jahrhunderte erlebte der Hof wechselnde Schicksale und wechselnde Bewohner. Ab 1821 waren im Bruderhof neben verschiedenen Wohnungen das Bischöfliche Ordinariat und das Archiv der Bistumsverwaltung untergebracht. Daneben stand die 1804 errichtete Königliche Musikschule, die heutige Staatliche Hochschule für Musik.
Am 16. März 1945 wurde Würzburg durch einen Bombenangriff fast völlig zerstört; auch die Gebäude am Bruderhof sanken in Schutt und Asche. 1953/1954 baute Dombaumeister Hans Schädel im Auftrag von Bischof Julius Döpfner am Bruderhof das Burkardus-Haus als Haus für Laienbildung im Bistum Würzburg. Das Haus erhielt seinen Namen nach dem heiligen Burkard (gest. 753), dem ersten Bischof der Diözese Würzburg. Zu Beginn der fünfziger Jahre lebten die Ideale des sogenannten Bauhausstils wieder auf: Eine neue Sachlichkeit orientierte den Bau an seinen Funktionen. Heute gilt das Haus als klassisches Beispiel der Architektur jener Jahre.
Durch eine Generalsanierung 2011-2015 wurde das Haus umfassend umgestaltet, so dass es den Erfordernissen eines zeitgemässen Bildungs- und Tagungsbetriebes entspricht.
Als Hans Schädel 1954 das St. Burkardushaus errichtete, schuf er ein Symbol der Auferstehung in der Mitte der Stadt nahe der Halbruine des Domes. Das Haus wurde später durch den Kopfbau ergänzt (Architekt Gustav Heinzmann) und nahm als Zeichen der neuen Zeit eine wichtigen Platz im städtischen Kontext ein. Mit dem Umbau hat das Bischöfliche Bauamt diese Botschaft wiederbelebt. Der Wille, die Tradition zu pflegen und den Blick in die Zukunft zu richten, spielte dabei eine wichtige Rolle. Dadurch ist ein Dialog zwischen Alt und Neu entstanden. [...]
Foto: Thomas Berberich
Der eher monumentale Ausdruck der Hauptfassade, gemildert durch die filigranen hohen Fenster mit den zierlichen Betonrahmen, wandelt sich im Inneren des Gebäudes zu einer schwungvollen Formensprache. Zeugen dafür sind zahlreiche Details wie zum Beispiel die Treppe im alten Foyer mit dem „tanzenden“ Geländer, die geschwungene Treppe im Westtrakt, die elegante Ausformung der Decke im Tagungsraum 2 sowie die abgehängte Decke im Tagungsraum 3. Der differenzierte Blick auf Materialien und Details war ein Leitfaden der Arbeiten. Es wurde sehr viel Wert darauf gelegt, die Details der 50er Jahre zu „entstauben“ und zu neuem Glanz zu bringen.
Die vorgenommenen Ergänzungen sind daher deutlich ablesbar: Der Haupteingang wurde in den Kopfbau verlegt. Der Speisesaal befindet sich nun im Erdgeschoss und ist an den Vorplatz angebunden. Einblicke vom Burkardushaus zum Innenhof des Domes sind durch schmale Wandschlitze möglich. Diese wecken Neugier und bereiten auf den Domkreuzgang vor. Im Westtrakt des Hauses entstanden 22 Hotelzimmer. Viele erlauben einen schönen Blick auf den Dom. Die sieben Seminar- und Tagungsräume befinden sich überwiegend im ersten Stock. Sie sind mit moderner Medientechnik ausgestattet. Die respektvolle Ergänzung des Außenbereiches durch den Pavillon, die Kunstwerke, die Bäume und die Wasserflächen sendet erneut ein Signal, das die kulturelle Haltung der katholischen Kirche in Würzburg verdeutlicht. Der Platz ist eine Einladung der Diözese an alle, die dort einen Moment der Ruhe und der Besinnung suchen.
Die Fenster im alten Foyer wurden mit transparentem Glas verglast, wodurch die Achse zur Domerschulstraße zur Geltung kommt. Auf dieser befand sich das Tor, über dem einst der hl. Burkhard wachte. Im alten Foyer befindet sich das restaurierte Kunstwerk „Die sieben Gaben des Heiligen Geistes“. Es zeigt klar und unmmissverständlich die zentrale Funktion, für die das Burkardushaus steht: unterschiedliche Geistesgaben, die Charismen, können zum Leuchten kommen.
Cesare Stefano, Ordinariatsrat
Diözesanbaumeister
Fotos: Dr. Bernhard Rauh
Das im Auftrag von Bischof Julius Döpfner vom Würzburger Diözesanbaumeister Hans Schädel 1953/1954 errichtete Burkardushaus sollte der Erwachsenenbildung sowie den kirchlichen Laienverbänden dienen und somit einer als notwendig erkannten pastoralen Aufgabe entsprechen. Hans Schädel entwickelte für diese Baumaßnahme aber nicht allein ein der Nutzung entsprechendes funktionales Raumprogramm, sondern bezog in seine Planung - wie so oft auch bei seinen Kirchen - von vorn herein ein, dem Haus eine künstlerische Komponente zu geben, durch die sich das Haus als Ort der Auseinandersetzung mit Gott, Kirche und Gesellschaft ausweist. [...]
"Abendmahl" im Tagungsraum 3 von Ben Willikens (6 m x 3 m)
weitere Infos unter: www.kunst-kirche-bayern.de
Diesbezüglich sei als Beispiel besonders auf die wandseitige Installation im Foyer (ehemaliger Haupteingang) verwiesen, die mit ihrer Taubengestalt und den zugeordneten Lichtschalen die Assoziation an den Heiligen Geist und seine das Leben erhellende Gaben (Weisheit, Erkenntnis, Frömmigkeit, Gottesfurcht, Rat, Stärke, Einsicht) weckt.
Darin dokumentiert Hans Schädel zum einen den Zusammenklang von Architektur und bildender Kunst, zum anderen hebt er dadurch die Prägekraft der Kunst im Blick auf die Aufgabe heraus, die das Haus erfüllen soll. Was in ihm geschieht, ist nicht allein - so durch Kunstwerke ausgewiesen - innerweltlich bezogen und ein Werk des Menschen. Die im Burkardushaus vollzogenen Aktionen werden durch die Einbringung und Sprache der Kunst auf ihr biblisches wie auch spirituelles Fundament verwiesen.
Um der ursprünglichen Konzeption zu entsprechen, stellte sich die 2011 notwendig gewordene Generalsanierung des Burkardushauses nicht allein als eine architektonische Aufgabe, die es zu meistern galt. Vielmehr sollte auch - wie bei der ursprünglichen Konzeption von Hans Schädel - in den neu gestalteten Räumen das Zusammenspiel von Architektur, den darin angebotenen Veranstaltungen und der Sprache der Kunst verwirklicht werden.
Durch die vom Kunstreferat des Bistums aus der diözesanen Kunstsammlung in die Räume einzubringenden Werke der zeitgenössischen Kunst sollte zudem erkennbar werden, dass die Diözese Würzburg hier nicht allein ihr zentrales Haus für den Dialog von Kirche und Gesellschaft geschaffen hat, sondern in diese dort platzierte Auseinandersetzung mit den Fragestellungen der Zeit auch die Kunst der Gegenwart als deren Wesensäußerung mit einbezieht.
Im Burkardushaus sollte der Weg, den das Kunstreferat der Diözese Würzburg schon mit der umfangreichen Präsentation von Werken zeitgenössischer Kunst aus ihrer Kunstsammlung im Exerzitienhaus Himmelspforten beschritten hat und dadurch dieses Haus besonders prägte, fortgesetzt werden. Wie in Himmelspforten die dort geweckten geistigen und geistlichen Prozesse von den Werken der Kunst begleitet und intensiviert werden, wird die Auseinandersetzung mit den Werten und Phänomen der Gegenwart in Staat, Gesellschaft und Kirche im Burkardushaus auch in deren künstlerischem Niederschlag aufgegriffen.
Der dem Burkardushaus vorgelagerte Platz wird von dem dort anzutreffenden Kunstwerk akzentuiert. Stirnseitig, dem öffentlichen Bereich zugewandt und sich von ihm absetzend, erhebt sich eine als freistehende Wand gefertigte plastische Arbeit in Terrocotta von Mimmo Paladino, die er eigens für diesen Ort und in Bezug zur Aufgabenstellung des Hauses 2014 geschaffen hat.
In dem gegenüber dem Eingang des Burkardushauses sich erhebenden vorgelagerten Pavillon, der an den vormalig von Hans Schädel errichteten, konzeptionell anknüpft, bilden dort präsentierte Kunstwerke, denen er vorbehalten ist, gleichsam einen künstlerischen und programmatischen Anfangsakkord. Der Blick auf den Menschen in seinen Vorgegebenheiten und Ausrichtungen bestimmt das künstlerische Programm dieses Pavillons als inhaltliche Ausweisung des Hauses. In ihm finden sich Arbeiten des Bildhauers Albert Schilling.
Am Eingang des Burkardushauses, im direkten Gegenüber zum Eingang, ragt die Arbeit von Dieter Klinge „Cruzifixus I" von 2004 auf und weist so den Eintretenden auf den christlichen Charakter des Hauses hin. Dieses Werk ist das Holzmodell für jene, in Bronze ausgeführte Kreuzesdarstellung in Stift Haug, die dort 2005 ihre Aufstellung fand. Diese urchristliche und tradierte Ikonographie findet bei Dieter Klinge eine neue Bildsprache. Ihm geht es nicht um eine historisierende, vielmehr um eine, den suchenden Menschen erreichende, Darstellung die diesem zum Anstoß zu werden vermag.
Darüber hinaus wird der Eindruck der Eingangshalle sowohl von zwei großformatigen Gemälden von Thomas Lange „Vertreibung (Brancacci)", 1995 (1999), und „Madonna von Neukölln", 1997, als auch von einer Skulptur des schweizerischen Bildhauers Albert Schilling bestimmt, der auch die liturgische Ausstattung des wieder aufgebauten Würzburger Domes 1965/66 schuf.
Dass sich im Burkardushaus vielerorts etwa 50 Werke von Thomas Lange, ehemals Berlin und nunmehr Torrealfina bei Orvieto finden, der zu dem Kreis der „jungen Wilden" an der Kunstakademie in der Hardenbergstraße, Berlin (West) gehörte, die in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts gegen die Prämisse der Abstraktion auf dem Kunstmarkt zugunsten der von ihnen neu favorisierten Figuration protestierten und von daher ihren Namen erhielten, bedingt eine umfangreiche Stiftung seinerseits. Darauf konnte vom Kunstreferat in seiner Auswahl zugunsten des Burkardushauses zurückgegriffen werden.
Was gerade seine Werke im Blick auf die Aufgabenstellung des Burkardushauses auszeichnet, ist, dass Thomas Lange sich in ihnen zum einen mit existentiellen Grundsituationen des Menschen und zum anderen mit dem künstlerischen Erbe vormaliger Kunstepochen auseinandersetzt samt deren ikonographischer Sprache. Gerade in den zurückliegenden letzten Jahren ließ er sich auf das Mysterium des Kreuzes ein, was sich in großer Eindringlichkeit in dem Triptychon „Croce I - III" von 2011/12 im Tagungsrraum 2 zeigt, in dem auch ein Kreuz von ihm Aufhängung fand. Gleiches kann über das Triptychon „Golgota I - III" gesagt werden, das stirnseitig auf der Galerie im Foyer zu sehen ist.
Der zu diesem Foyer innerhalb des Hauses führende Gang ist mit Arbeiten von Michael Morgner, Chemnitz, bestückt. Sein „Ecce homo" - Thema mit der Erfahrbarkeit von Einengung wie auch Befreiung des Menschen hat ebenfalls inhaltlichen Bezug zur Aufgabenstellung des Hauses. Von Michael Morgner stammen auch die Kreuztafeln in Bronze in einzelnen Räumen des Hauses.
Ein Objekt von Maria Garutti, Würzburg, eine von einem Corten-Stahl umschlossene und mit Vogelfedern bedeckte Fläche in einer Leibform von 1995 knüpft an das Werk von Michael Morgner an.
Im ehemaligen Speisesaal, dem jetzigen Tagungsraum 3, hängt das „Abendmahl II" von 2008, das Ben Willikens als Nachfolgewerk seines Gemäldes „Abendmahl" im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt eigens für seine Ausstellung im Museum am Dom geschaffen hat. Der von keinem Menschen umgebene und mit einem Tischtuch bedeckte Tisch steht in einer Halle mit vielen seitlichen Türen, die Zutritt gewähren, sowie mit einem rückseitig offenen Durchblick in einen lichtvollen freien Raum. Mit dieser Darstellung wird der Auftrag des Hauses in den Blick genommen: Menschen zu sammeln, keine Hürden aufzubauen, Freiraum zu eröffnen. Auch in diesem und nicht nur aufgrund seiner Größe den Raum beherrschenden Werk kann die Eigenständigkeit der Kunst sowie die Möglichkeit eines durch sie provozierten inneren Aufbruchs erkannt werden.
Gleiches gilt für die Kunstwerke im Flur zu den Tagungsräumen 4 + 5. Dort sind 14 Arbeiten von Thomas Lange aus seinem großen Themenkomplex „Via crucis" von 2011/12 zu sehen. In ihnen lässt er sich auf die Tradition des Kreuzwegs ein, setzt sie aber vornehmlich per Farbe um. Dass er hinsichtlich des Formats den gewohnten Rahmen sprengt und freie Formen wählt, ist ein zusätzlicher Verweis auf die Unvorstellbarkeit des mit seinem Werk in Erinnerung gerufenen Geschehens.
Gerade diese eigene Sprache der Kunst erreicht den Menschen in einer Weise und Nachhaltigkeit, die zuweilen den alleinigen verbalen Dialog zu übertreffen vermag. Die Kunst ist in sich, d. h. in ihrer Selbständigkeit ein freier Träger von Botschaften jenseits aller Engführungen. Um darauf zu verweisen, sind außer den Tagunggsräumen auch die Gästezimmer samt der zu ihnen führenden Gänge mit Kunstwerken bestückt.
In den Gästezimmern hängen außer den unterschiedlich gestalteten Bronzekreuzen von Rainer Stoltz Zeichnungen und Aquarelle von Polykarp Uehlein. Die Gänge in den drei Obergeschossen zeigen im ersten zehn Arbeiten von Thomas Lange. Sie zeigen die Teilnehmer eines Workshops mit behinderten Jugendlichen, zu dem er von der Familie Würth eingeladen war, und führen die Betrachter zu einem Gegenüber, das eine Selbstwahrnehmung nicht ausschließt.
Für den Gang des zweiten Obergeschosses wurden elf Diptychen von Ursula Flach, Köln, gewählt, in denen sie sich, in Tusche auf Pergament, auf die Passionsthematik einläß. Im dritten Geschoss hängen im Gang Arbeiten von Polykarp Uehlein.
Trotz der Vielzahl von über 200 künstlerischen Arbeiten von musealer Qualität empfindet sich das Burkardushaus nicht als eine Dependance des in nächster Nachbarschaft angesiedelten Museums am Dom. Das Burkardushaus ist mit seiner künstlerischen Ausstattung kein Haus der Kunst. Es ist vielmehr ein Ort, an dem die Kunst in der Respektierung ihrer Selbständigkeit ihren eigenständigen Beitrag zur Auseinandersetzung der Menschen mit ihrer Welt, mit ihrem Leben und auch mit ihrer Religion leistet und darin jeglicher Engführung und Indoktrination Einhalt gebietet. Dank dieses Anteils seitens der Künstlerinnen und Künstler ist im Blick auf die Aufgabe des Burkardushauses eine Grundlage für die Wahrnehmung eines schöpferischen Geistes, der frei macht und aus seiner Erkenntnis Ausrichtungen des Lebens eröffnet und verwirklichen lässt, gegeben.
Domkapitular Dr. Jürgen Lenssen